Ein Arbeitskollege bat mich, sein Blaupunkt Granada 24 400 zu überholen und den alltagstauglichen Betrieb herzustellen. Es stammt aus seinem Familienbesitz und wurde pfleglich behandelt. Die originale Polyesterlackierung hat nur wenige kleine Kratzer abbekommen und es glänzt noch sehr gut. Es stand wohl mehrere Jahre trocken, so dass die Mechanik vom verharzten Fett und Öl befreit werden muss, um dann alles wieder mit neuen Schmierstoffen zu versehen.
Auch die Zierleisten sind etwas lose, die werde ich mit modernem Kleber neu befestigen. Das Design ist schon etwas moderner geworden, schließlich stammt es aus dem Jahre 1964, da hat man kein Messing mehr verwendet.
Die kleinen Kratzer lassen sich auf Grund der geraden Gehäuseflächen prima später mit dem Exzenterschleifer auspolieren.
Das Radio besitzt eine Stereo-Endstufe (ECL86) und konnte optional mit dem Grundig Stereo Decoder 5, der auch für Blaupunkt gefertigt wurde, nachgerüstet werden, um somit auch einen UKW-Stereoempfang zu ermöglichen.
Leider besitzt dieser Granada nicht den erforderlichen Decoder für Stereo, der damals auch eine teure Anschaffung war. Heute fertigen findige Bastler einen Ersatz für den Stereo-Decoder, wie z.B. hier der Röhrengeist.
Bei diesem Modell befindet sich der Netztrafo inkl. Gleichrichter separat und wird durch einen Kabelstrang mit Novalstecker und -fassung mit dem Chassis verbunden. Dadurch wird das Chassis sehr leicht und handlich.
Die Schaltkontakte liegen prima zugänglich, so dass die Reinigung/Konservierung fast ein Kinderspiel ist. Da kommt man gut mit dem Glasfaserpinsel heran!
Die unspektakuläre Unterseite des Chassis zeigt sich durch die verwendete Platine sehr aufgeräumt.
Der Balance-Regler hängt total fest, da hat verharztes Fett die Potentiometerachse verklebt. Durch Erwärmen und „Spülen“ mit einem entfettenden Mittel, ich habe Bremsenreiniger verwendet, bekommt man die Achse wieder gut gelöst. Danach sollte man dünnes Öl verwenden, was eine gute Kriechfähigkeit besitzt, um das Potentiometer immer gangbarer zu machen. Der Kriechvorgang dauert über Nacht, also ist Geduld gefragt.
Um eine vernünftige Aussage über den Zustand der Röhren zu treffen, gehört die Prüfung auf dem RPG zum Standartvorgang. In diesem Fall hat der Besitzer des Granadas Glück: alle Röhren bis auf die ECH81 sind sehr gut und weisen fast Neuwerte auf. Die ECH81 jedoch ist mit 50% der Emissionen an ihrer Verschleißgrenze angelangt und muss ersetzt werden.
Als erstes formiere ich den Lade- und Siebelko, damit arbeite ich mich auf der Gleichrichterstrecke voran.
Hier erhöhe ich allmählich die Spannung bis die 350V, die der Doppelelko laut Beschriftung verträgt, erreicht werden. Damit die Elektrolyte in Schwung kommen, kann er dann bei dieser Spannung ruhig eine Stunde „köcheln“.
Die anschließende Messung zeigt, dass Sieb- und Ladeelko noch Klasse in Schuss sind, hier wäre es nicht nötig, diese zu ersetzen.
In der Zwischenzeit habe ich mich mit dem Gehäuse befasst:
Eine Zierleiste hatte sich schon gelöst und die restlichen 3 fielen ab, als ich wegen des Staubes im Radio niesen musste. Da die Zierleisten aus Kunststoff bestehen, ließen sie sich ganz einfach mit Pattex wieder befestigen.
Da dieses Radio aus den 60ern stammt, liegt der Verdacht nahe, dass für die Lautsprecherabdichtungen Schaumstoff verwendet wurde? – Also abschrauben, um diese Frage zu beantworten!
Hier sieht man den Schaumstoff, der nun nach all den vielen Jahren wie Staub von der Abdichtkante fällt. Um hier den akustischen Kurzschluss zu vermeiden, müssen wir hier für eine neue und vor allem haltbarere Dichtung sorgen!
Hier fällt der Schaumstoffstaub schon durch die Behandlung mit der Kunststoffbürste fast von selbst ab. Anschließend muss die Fläche noch etwas angeschmirgelt werden, weil wir da den Pattex auftragen.
Als zuverlässige Dichtung für die Lautsprecher verwende ich eine Kordel, sie wird exakt in die umlaufende äußere Fläche geklebt.
Inzwischen habe ich auch die Elektrik durchgemessen, der Gleichrichter, Lade- und Siebelko liegen im optimalen Bereich. Den Becherelko habe ich mehrere Stunden formiert, das sollte reichen, ein Ersatz ist nicht nötig. Die Koppelkondensatoren haben zwar auch noch gute Werte, aber allein durch die bauliche Nähe zur ECL86 und die damit verbundene thermische Belastung habe ich sie ersetzt. Die originalen hatten auch nur eine Spannungsfestigkeit von 400V, hier kann man höherwertigen Ersatz verwenden.
Bald gehts weiter…
Technische Daten:
Produktionsjahr: 1964/65
7 Röhren: ECC85, ECH81, EAF801, EAM86, EM87, 2xECL86
6 AM-Kreise + 10 FM-Kreise
Gehäuseabmessungen: 61.50 x 31.50 x 24cm, 11,6kg
Preis damals: 650.- DM
Guten Tag Tilo,
wieder ein beeindruckendes Gerät!
Jedoch auch nicht so einfach. Hier sind gleich DREI Außenseiter-Röhren verbaut, mal ganz abgesehen von der inzwischen sehr teuer gewordenen NF-Verstärkerröhre „ECL86“, die gerne diverse Fehler aufweisen kann. Die „ECL86“ hat u.a. thermische Probleme.
Nun aber zu den drei Außenseiter-Röhren:
1. EAF 801 ⇨ ZF-Stufe u. Demodulator, selten im Bestand, kostspielig, derzeit ca. €15,00
2. EAM 86 ⇨ Anzeigeröhre (Mag. Auge II), selten im Bestand, kostspielig, z.Zt. ca. €30,00
3. EM 87 ⇨ Anzeigeröhre (Mag. Auge I), selten im Bestand, kostspielig, derzeit ca. €15,00
Die „EM87“ ähnelt der Standardröhre „EM84“, passt auch von der Anschlußbelegung her 1:1, spricht jedoch deutlich empfindlicher an. Die „EM87“ ist also ohne größere Klimmzüge per Schaltungsänderung NICHT durch die leicht erhältliche und relativ günstige „EM84“ ersetzbar.
Achtung mit den Lautsprecher-Anschlussbuchsen (LS9): Das sind Schaltbuchsen; hier ergeben sich oft Kontaktprobleme. Im Notfall, wenn Reinigung nicht hilft, Schaltkontakt überbrücken.
Der Netzgleichrichter „Selen, B250/C150“ ist mit einer max. Belastbarkeit von 150mA von vorneherein etwas schwach dimensioniert; allein die zwei Röhren „ECL86“ haben eine Stromaufnahme über die Anoden und Schirmgitter von jeweils ca. 46mA, also gesamt 92mA. Rechnet man den Rest der Schaltung hinzu, sind die 150mA schnell erreicht.
Es dürfte ohnehin erforderlich sein, den Gleichrichter durch Silizium zu ersetzen.
Übrigens ist die Empfangsleistung und Trennschärfe bei diesem Gerät außerordentlich!
Voraussetzung ist natürlich die gewissenhafte Überarbeitung auch des Tastensatzes.
Das wär’s fürs Erste, viel Spaß bei der Aufbereitung!
Viele Grüße
Diogenes
Vielen Dank, lieber Diogenes, für die wieder mal fundierten und wichtigen Fakten für die nächsten Schritte am Granada.
Mit besten Grüßen
Tilo
Mahlzeit !
Einen recht gut lesbaren Schaltplan für diesen schönen Großsuper habe ich im Netz als PDF finden können. Unter anderem sind dort auch eine Abgleichanleitung, ein Seilführungsplan und diverse Platinen-Layouts beigefügt.
S. hier:
https://nvhrbiblio.nl/schema/Blaupunkt_24400.pdf
Na, dann mal los…
Beste Grüße
Diogenes