Die Freundin meines Bruder erbte von ihrer Lieblingstante ein Radio: den Grundig 2030 W/3D – sehr gut erhalten, alle Bauteile sind original und auf der Gehäuseoberseite gibt es noch nicht mal den eigentlich typischen Blumentopfabdruck inkl. Wasserfleck. Tante Ruth wohnte in der Nähe des Bodensees, doch sie hatte sich für dieses Grundig-Modell entschieden, obwohl sie sich eigentlich auf Saba-Territorium lebte. Vielleicht lag es aber auch an der knuffigen 50er Jahre-Optik dieses Modells?
Standard-Röhrensatz: EC92, 2x EF89, EABC80, EL84 und den magischen Fächer EM85, also nix exotisches – kein Problem.
Schön, wenn man am Gehäuse keine Lackierarbeiten durchführen muss, es ist noch prima erhalten und muss nur entfettet und neu poliert werden.
Der Boden des Gehäuses kommt ganz ohne separate Lochplatte aus, alles durchgehend Holz!
Der Reparaturständer musste auf 35cm Breite für die Chassisaufnahme eingestellt werden, alles sehr handlich.
Auch Originalität unterm Chassis:
Wie zu erwarten war der Sieb- und Ladeelko völlig taub, auch ein Formieren schafft da nur vorübergehend Abhilfe – also neue Elkos!
Diesmal habe ich nicht den alten Topfelko aufgeschnitten und neu befüllt. Ich habe die beliebten Kabelschellen benutzt, um die beiden Elkos unters Chassis zu schrauben. Die Masseleitung lag eh schon und auch die beiden Elko-Zuleitungen sind lang genug.
Die Kabelschellen gibt es in jeder Größe – kann ich nur empfehlen! Damit kann man sicher und einfach Bauelemente befestigen – Kondensatoren, Hochlastwiderstände u.v.m. Mit etwas Kraftaufwand biegt man sich diese Schellen passend zurecht.
Im Tuner-Kästchen befindet sich kein Problem-Kondensator:
Da der Gleichrichter auch die beste Zeit seines Lebens hinter sich hat, Verlustwärme entwickelte und die Sollspannung nicht mehr erreichte, werde ich das schwarze GR-Gehäuse entkernen und mit einem bewährten Silizium-GR Typ W06M befüllen.
Zur leichten Abfederung der Einschaltspannung setze ich auf der Primärseite des GR einen 4,7Ohm Widerstand. Tests zeigten, dass trotz Gehäuses mit keiner kritischen Wärmeentwicklung zu rechnen ist.
Anschließend alles schön umwickeln und polstern, dann wieder in das alte Gehäuse stecken.
Ist der Gleichrichter schon mal demontiert, so kann man nun auch prima die Problemkondensatoren wechseln, die Bewegungsfreiheit also nutzen!
Seitlich passt der Hochlastwiderstand prima auf das Chassis – befestigt mit der o.g. stabilen Kabelschelle. Hier wird der geringere Innenwiderstand des modernen Gleichrichters ausgeglichen. In diesem Falle sind 82 Ohm notwendig, um bei einer Heizspannung 6,3V auf die laut Schaltplan geforderten 265V bei FM am Ladeelko zu kommen.
Heute nutze ich das schöne Wetter, um draußen das Gehäuse zu polieren.
Bei dem guten Erhaltungszustandes des originalen Lackes, kann man prima die stumpfe Oberfläche polieren. Das geht natürlich nur, wie in diesem Falle, wenn der Lack noch fest mit dem Gehäuse verbunden ist und sich noch nicht löst. Da Tante Ruth vermutlich hin und wieder mit Möbelpolitur das Gehäuse behandelt hat, muss man vorher diesen öligen Film entfernen, was am besten mit Glasreiniger geht. Danach kann poliert werden!
Heute schlechtes Wetter: Röhrenprüfungen!
Ein Wunder, dass man auf UKW überhaupt noch etwas empfangen kann! Alle anderen Röhren waren noch gut, am besten erhalten war die Endstufenröhre EL84 mit fast 90%! Da es sich um den originalen Röhrensatz der Werksauslieferung handelt kann man sagen, dass Tante Ruth häufig aber leise Radio gehört hat. Um auf die günstigere PC92 umzurüsten, habe ich in die Heizzuleitung unterhal der Röhrenfassung der EF89, wo die Heizspannung für die EC92 abgegriffen wird, eine Diode eingebaut und die PC92 eingesetzt, nun empfängt es wieder einwandfrei!
Dem magischen Auge EM85 war selbst durch Abgriff der Schirmspannung direkt hinter dem Gleichrichter mit seinen knapp 300V nicht mehr ein müdes und trübes Leuchten abzuringen – hier musste Ersatz her! Hier habe ich beschlossen, auf die erschwingliche und sehr lange haltbare EM84 umzusteigen. Elektrisch ist nichts zu veränden, lediglich der ausgefräste Bereich für die Befestigung an der Schallwand mußte auf Grund der längeren EM84 gegenüber der EM85 etwas erweitert werden.
Damit habe ich den Bereich ausgefräst.
Aus etwas Messingblech habe ich eine Kappe gebogen, da die originale Messingblende etwas zu breit ist.
Nun noch die Knöpfe polieren! Eine große Erleichterung ist es, die Knöpfe in einer Bohrmaschine einzuspannen. Hierzu habe ich ein Sortiment der verschiedenen Achsstärken.
Umbau auf PC92 beim Grundig 2030:
Die PC92 ist im Gegensatz zur EC92 noch preiswert z.B. im Onlineauktionshaus zu bekommen, allerdings benötigt diese die halbe Heizspannung! In die Heizleitung der EC92, die sich an der EB89 befindet und von da aus zum FM-Tuner geht, kann man die Diode 1N4007 einlöten. Dadurch bekommt die Heizung der PC92 die erforderliche Halbwelle der Wechselspannung, also 3,1V.
Im Schaltplan erkennt man, dass sich zwischen Pin 3 (Chassismasse) und Pin4 der EC92 ein 8nF – Kondensator befindet, der muss entfernt bzw. unterbrochen werden, weil er als Ladekondensator die Heizspannung beeinflusst (Spannungsanstieg – Überheizung). Dieser Kondensator befindet sich innerhalb des UKW-Tunergehäuses.
Selbstverständlich sollte am Radio und im Schaltplan, der dem Radio beigefügt wird, unbedingt unsere Veränderung „Umbau auf PC92“ dokumentiert werden!
Mittlerweile habe ich auch die Netzanpassung durchgeführt: um bei 233V Haushaltsspannung auf die geforderten 6,3V Heizspannung zu kommen, habe ich einen 10-Watt-Hochlastwiderstand von 120 Ohm in die Netzzuleitung einbauen müssen. Mit Wärmeleitpaste und der o.g. Kabelschelle habe ich den Widerstand auf dem Chassis gut und sicher befestigt. Somit stimmen jetzt alle geforderten Sollspannung aus dem Schaltplan mit den Messungen am Grundig 2030 W3D überein. Nun kann wieder alles zusammengebaut werden – fertig!
Solange man die EL84 und den Lautsprecher nicht überfordert, klingt es ausgewogen und kraftvoll.
Nun steht der Grundig bei uns zum Probelauf in der Küche, angeschlossen an die UKW-Hochantenne, um hier SWR1 gut zu empfangen und an den Hama DIT2000 Internetradioempfänger für die restlichen Sender, wie z.B. knixx.fm oder Stadtradio Krems 🙂
Technische Daten:
Produktionsjahr: 1954/55
6 AM- und 8 FM-Kreise
3 Lautsprecher – 5 Watt
Gehäuseabmessungen: 575 x 370 x 240 mm, 9,6 kg
Preis damals 269.- DM
6 Röhren: EC92, 2x EF89, EABC80, EL84, EM85
Sehr ordentlich und sehr schön geworden,
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Tilo, und der Umbau auf die deutlich langlebigere Anzeigeröhre ‚EM84‘ als Alternative zur relativ kurzlebigen und inzw. sündhaft teuren ‚EM85‘ ist auch prima gelungen.
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Dann kann sich Ihre ‚Schwägerin in Spe‘ ja nun darauf freuen und das Gerät alsbald abholen!
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Ach, eines noch:
Vielleicht wäre es ganz schön, die Messingeinfassung auch noch im ausgeschalteten Zustand zu fotografieren;
das schließt die Reflexionen aus. So wie es sich jetzt auf den Bildern darstellt, kann man die zusätzliche Messingblende nicht erkennen; man hat den Eindruck, daß etwas fehlen würde.
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Ich wünsche weiterhin viel Erfolg bei den ‚Oldtimern‘,
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viele Grüße
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Diogenes
Vielen Dank für die netten Worte! So, jetzt ein Foto im „kalten“ Zustand, so ist die Blende besser zu sehen.
Beste Grüße
Tilo
Ja, wunderbar!
Jetzt sieht man die gelungene „Täuschung“, die dem Original in Funktion und Gestaltung in nichts nachsteht.
Man sollte sich das zur Gewohnheit machen; auch als Ersatz für die EM80, obwohl anstelle der EM80 die Fassung entsprechend umverdrahtet werden muß.
Aber es lohnt sich, schont man dadurch auch -falls vorhanden- die Originalröhren, weil diese ja bekanntermaßen immer seltener und inzwischen zu Mondpreisen gehandelt werden…
Weiterhin frohes Schaffen!
Diogenes